Einige Kostproben...
Der Vater eines anderen Jungen war ein
paranoider Schizophrener. Er war schon elfmal verheiratet gewesen und
hatte seit neuestem einen religösen Dachschaden. Er hielt sich
abwechselnd für Gottvater, Abraham und Jesus und kam folglich
gelegentlich vorbei, um seinen Sohn zu opfern. Der merkwürdigste von
diesen Vätern war ein Berufsringer, der zugleich einen legendären Namen
in der Unterwelt hatte. Am sechzehnten Geburtstag seines Sohnes tauchte
er auf und schenkte seinem Sprößling ein funkelnagelneues Auto, eine
Pistole, einen Totschläger, einen Schlagring und eine Schachtel
Pariser: '...alles, was du brauchst, um ein Mann zu sein.' Für meine
Freunde hatte ich eindeutig den besten Vater in diesem Teil von
Alabama, aber ich wurde trotzdem das Gefühl nicht los, daß mir irgend
etwas fehlte.
Abenteurer meiden den Wettbewerb mit den
anderen Jungen und messen statt dessen ihre Kräfte in der
Auseinandersetzung mit der Natur, der Gesellschaft oder ganz allgemein
der Wirklichkeit. Die Abenteuersuche kann jedoch ein so einsames und
antisoziales Unterfangen werden, daß dem Abenteurer etwas völlig
entgeht, in dessen Genuß andere Männer kommen, die zusammenarbeiten:
das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer brüderlichen Gemeinschaft. Das
Leben wird gefährlich , und die Zeit wird knapp, wenn ein Mann nicht
schon beim Heranwachsen erfahren hat, daß er über genügend Männlichkeit
verfügt, und sich dieses Gefühl statt dessen nachträglich mit großem
Aufwand verschaffen muß. Oder wie Bilbo Baggins in 'The Hobbit' klagte:
'Abenteuer führen leicht dazu, daß man zu spät bei Tisch erscheint.'
Jungen müssen ihre Selbstzweifel und die
Unzulänglichkeiten ihrer Männlichkeit zeigen dürfen, sie müssen bei
ihren Geschlechtsgenossen Trost und Verständnis finden können. Wo das
nicht der Fall ist, ist die Fürsorge für ihre Männlichkeit in vollem
Umfang Frauen anvertraut, aber es ist völlig ausgeschlossen, daß Frauen
dem Problem gerecht werden können.
Unsere wirren, von Panik gekennzeichneten und wissenschaftlich
unzutreffenden Theorien über Homosexualität schaffen grausame Problem
für jene Männer, die ein homosexuelles Leben führen, aber auch für die
große heterosexuelle Mehrheit. Die meisten 'normalen' Männer leben,
völlig unabhängig davon, ob sie die typische sexuelle Verwirrung und
Verunsicherung der Halbwüchsigen durchlebt haben oder nicht, in der
Furcht´, Homosexualität in sich zu tragen oder sich damit
'anzustecken'. Das macht es ihnen unmöglich, das dringend nötige
vertraute Verhältnis zueinander zu finden.
Wir Männer sind nach dem Erwachsenwerden
orientierungslos und wissen nicht, wem wir uns anvertrauen können. Das
ist ein trauriges und überflüssiges Kapitel. Wie so manches, was im
Leben der Männer schiefgeht, ist auch das ein direktes Resultat einer
übertriebenen Männlichkeitserziehung in Kindheit und Jugend und
außerdem die Folge des Fehlens von Männern, die mit ihrer Männlichkeit
zurechtkommen und als Vorbild taugen.
Erinnern wir uns noch daran, wie nahe wir uns damals unseren Kumpeln
fühlten, als wir miteinander groß wurden und feststellten, daß die
anderen die gleichen erschreckenden und erregenden Dinge erlebten, die
uns widerfuhren? Daran hat sich nichts geändert. Wir haben nur
aufgehört, darüber zu reden. Wenn wir uns öffnen, sei es nun
trommelschlagend im Wald mit Robert Bly, angelnd im Boot auf einem See
oder beim Verlassen des Arbeitsplatzes draußen auf dem Parkplatz- wir
könnten erneut diese vertraute Nähe in uns spüren, und die Welt samt
unserem Platz darin könnte wieder einen Sinn bekommen.
Männerfreundschaften sind anders als
Freundschaften zwischen Frauen: Männer suchen nicht so sehr Vertraute
als vielmehr Spielkameraden. Meistens brauchen Männerfreundschaften
auch nicht so zu sein wie Freundschaften zwischen Frauen. Als Männer
dürfen wir getrost davon ausgehen, daß wir alle den gleichen
dornenvollen Weg hinter uns haben und daß sich unsere Einstellung zu
den meisten Dingen sehr ähnelt. Zusammensein zu können, ohne viel
darüber reden zu müssen, ist eine wunderbare Sache. Manchmal bin ich
geneigt zu glauben, daß Männer sich überhaupt nicht unterhalten würden,
wenn sie nicht mit Frauen reden müßten: Sie würden wahrscheinlich ein
Leben lang nur schmutzige Witze erzählen und die letzten
Fußballergebnisse austauschen. Aber manchmal muß auch ein Mann etwas
loswerden, etwas mit einem anderen Mann besprechen, und es kann sehr
wohl sein, daß es dann niemand gibt, an den er sich wenden kann.
Männlichkeit ist manchmal ein einsamer Sport.
Wenn ein Mann ein Held werden will, muß er
sich auf Abenteuerfahrt begeben. Die Helden des Altertums waren viel
unterwegs: Odysseus umrundete das Mittelmeer, Orpheus stieg in die
Unterwelt hinab und Jonas reiste im Bauch eines Fisches. In unseren
Tagen des dichten Berufsverkehrs und des internationalen Tourismus ist
das Reisen als Teil des Abenteuers vielleicht überholt. Die moderne
Arena heroischer Abenteuer ist 'der Bereich des Unbewußten, den wir in
unseren Träumen zögernd erforschen..., wo in uns wohnende Ungeheuer
erschreckend reale Formen annehmen, wo auch unsere verborgensten
Wünsche manchmal Erfüllung finden'. So Davis Abrams Leeming in seinem
Buch 'The World of Myth' (Die Welt der Mythen). Auch eine
Psychotherapie kann ein solches Abenteuer sein, wie beispielsweise für
Tom Wingo in 'Der Herr der Gezeiten'.
Der Held muß seinen Weg zwar alleine, aber
nicht in Einsamkeit gehen. Joseph Campbell schreibt in 'The Power of
Myth' (Die Macht des Mythos): 'Selbst im Wagnis des Abenteuers sind wir
nicht allein, sind uns doch die Helden aller Zeiten vorangeschritten.
Das Labyrinth ist durch und durch bekannt. Wir müssen nur dem Faden
folgen, der entlang des Pfades der Helden gespannt ist. Wo wir Greuel
vermuten, werden wir einen Gott finden. Wo wir dachten, uns gegenseitig
töten zu müssen, werden wir uns selbst abzutöten haben. Wo wir meinten,
die Reise werde uns nach draußen führen, werden wir zum Zentrum unseres
Wesens gelangen. Und wo wir glaubten alleine zu sein, wird sich die
ganze Welt einfinden.'
F. Scott Fitzgerald hat einmal gesagt:
'Zeige mir einen Helden, und ich schreibe dir eine Tragödie.' Ich
brauche Helden, aber ich muß nicht selber einer sein. Ich weiß, daß das
Leben eines Helden von etwas Tragischem umgeben ist. Ich für meinen
Teil habe mich entschlossen, darauf zu verzichten. Für den Rest meiner
Laufbahn würde ich mit Männern arbeiten, die unter ihrer Sehnsucht nach
Heldentum zu leiden hatten.
In unserer Heldenauswahl zeichnet sich ein
beunruhigender Trend ab... Das Aufbegehren unserer jugendlichen Helden
wird immer destruktiver und zieht sich mittlerweile weit ins
Erwachsenenalter hinein. Unsere Machohelden sind immer lebensferner
geworden; es sind phantastisch überzeichnete Charaktere, die eine
kindische Vorstellung von Männlichkeit ausleben. Es ist ganz klar, daß
die Jungen, die sich diese Helden zum Vorbild nehmen, unmöglich wissen
können, was es mit Männlichkeit wirklich auf sich hat. Sie mißverstehen
die karikaturhaften Actionhelden und notorisch unreifen Jugendlichen
als Richtschnur und denken nicht daran, den von Männern in das
Familienleben investierten Heroismus zu bewundern oder gar nachzuahmen.
In...'Heroism, Men and Marriage'...Gus
Napier...:'Ich bin überzeugt, daß die Reise des modernen Helden nach
Innen führen muß in die oft angstauslösende Welt des Unbewußten, wo der
Charakter eines jeden Menschen seine endgültige Ausformung erfährt und
wo eine Änderung der Lebensführung dieses Menschen ansetzen
muß...Denjenigen unter uns, die sich mit der Therapie von Männern
beschäftigen, ist der enorme Widerstand vertraut, den Männer gegen die
Wahrnehmung ihres inneren Selbst aufbauen. Oftmals muß dieser
Widerstand gewaltsam gebrochen werden, oder die ganze Reise ist
blockiert... Der Problematik dieser Männer ist etwas gemeinsam: eine
alles durchdringende Selbstbezogenheit, ein gebieterischer Narzißmus
(der in unserer Kultur mit Nachsicht rechnen kann) oder ein Narzißmus
aus Not (der aus der Kindheit herrührt). All das zusammen macht es für
diese Männer mindestens so schwer, emotionale Zuwendung zu geben, wie
es in der Vergangenheit für die Frauen schwer gewesen ist, sich
Selbstbewußtsein und Selbstwertschätzung anzueignen. In der Überwindung
des männlichen Narzißmus dürfte die größte Herausforderung für das neue
männliche Ideal liegen; und in der Tat stellt auch Campbell fest, daß
die Bereitschaft, über das Selbstinteresse hinauszugehen - in einem
Akt, den er >Selbstdisziplinierung< nennt-, das
Kennzeichen des modernen Helden ist.'
Unsichere Männer befürchten oft, durch
eheliche Gleichstellung unter den Pantoffel zu geraten und ihre fragile
Männlichkeit einzubüßen. Sie stellen in eigener Regie der Gleichheit
Hindernisse in den Weg. Eine der beliebtesten davon ist Untreue
gegenüber der Partnerin. Untreue ist weit mehr, als mit einer anderen
Frau zu schlafen, auch mehr als lediglich der Bruch der ehelichem
sexuellen Übereinkunft. Es ist ein Machtspiel, ein Bemühen, etwas zu
bekommen oder zu erfahren, das dem Partner vorenthalten bleibt. Die
Geheimnistuerei um eine Affäre zerstört die Gleichheit in der Ehe und
richtet damit mehr Schaden an als der sexuelle Seitensprung selbst. Der
Schaden aber wird umso größer, je länger die Geheimnistuerei
dauert...Männer gehen nicht deshalb fremd, weil ihre Ehe nicht
funktioniert - das kann zwar auch der Fall sein, aber es ist nicht die
Ursache der Untreue. Sie gehen fremd, weil sie sich ihrer Männlichkeit
nicht sicher sind. Die Wurzeln der Untreue liegen in einem gestörten
Verhältnis des Mannes zu seinem Vater, nicht in einem gestörten
Verhätnis zur Partnerin... Es geht nicht darum, daß ihn seine Frau
nicht verstehen würde; das Problem für ihn ist im Gegenteil, daß sie
ihn sehr wohl versteht. Er braucht die Zuflucht zu einer Person, die
ihn immer noch für den Größten hält...Die Untreue wird an ihm nagen und
die Intimität seiner Partnerschaft zerstören. Wenn er sich zur Wahrheit
bekennt, gibt es die Chance das Durcheinander zu bereinigen, und das
Paar kann wieder einen gemeinsamen Nenner finden. Eine
gleichberechtigte Partnerschaft vermag mit praktisch allen Knüppeln
fertig zu werden, die ihr die Welt in die Speichen wirft, sogar mit
Untreue, aber Unaufrichtigkeit kann sie kaum überleben.
Depression ist nicht mit Traurigkeit zu
verwechseln. Es handelt sich um eine chemische Veränderung im Gehirn,
die zur Folge hat, daß den Betroffenen das Vertrauen abhanden kommt,
die Dinge könnten sich auch zum Guten wenden. Depressionen können
ausgelöst werden durch chronische Schmerzzustände oder täglichen
Alkoholgenuß, durch einen erlittenen Verlust oder durch ererbte
Disposition. Bei Männern rangiert als Auslöser das Gefühl, nicht der
Mann zu sein, der man eigentlich sein sollte, ganz oben.In dieser
Situation machen sich Männer unablässig selbst fertig und können zudem
kein Vertrauen fassen, wenn ihnen Liebe entgegengebracht wird oder wenn
sie freundliche Gesten erfahren. In den im Hirn ablaufenden chemischen
Prozessen wird fortwährend mehr Unlust als Lust registriert.
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